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Lentz Michael





Kunstart: Druckgrafik
Technik: Monographie
Stil: Gegenständlich


Statement:
,,La poesía es un drenaje de la vida, que nos sirve a no temerle a la muerte¨
Mario Benedetti


Vita / Lebenslauf:
b. 1964, studies in Vienna and Paris.
*
Kunst kommt nicht von Koons

Einerseits die Eigenschaft postmodernen Geistes, abgesehen von einigen wenigen ererbten und nicht wirklich funktionsfähigen Restanteilen der Moderne, zu keinerlei eigenständigem Denken imstande zu sein. Statt sich zu entwickeln, schert zeitgenössisches Denken konsequent seitwärts aus, repliziert sich in immergleichen narzissistischen Spiegelungen. Ein Vorgang, der durchaus in Zusammenhang mit der Art stehen mag, wie die postideologische Eroberung der Geographie einen historisch zeitlichen Faktor, den man im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert Fortschritt nannte, räumlich zu entwickeln begann und den industriellen Produktionsmodus in immer neuen Versuchen einer Verwestlichung des Weltganzen aus seiner originären Zeitlichkeit heraus in die Räume einer isotropen Wirklichkeit verlagerte, die ein von seinen Ideologien und imperialistischen Verbrechen gereinigter Okzident selbstzufrieden unter Markennamen wie Friedfertigkeit, Aussöhnung und Weltgemeinschaft verbreitet. Demokratie ist jenes abstruse Geschenk eines ermüdeten, überlebten Westens an die Welt, dessen vorgebliches Ideal weniger die Politik als der Massentourismus exportiert. Fremdes, Unerschautes, Abweichendes, tatsächlich oder scheinbar Minderwertiges sieht sich all inclusive für abgeschafft und ungültig erklärt: zuschüttet, planiert und betoniert. Currywurst, Wienerschnitzel und Münchner Bräu sind Eichgrundlage des Nährstands auf den Balearen wie auf den Malediven, in Nepal wie in Tansania. Aus der dialektischen Zeitlichkeit des Fortschritts ist eine automatisierte Bewegung, und aus dem Status historischer Entwicklung und Beschleunigung ein statisches Sein im Hintergrund geworden: eine innere Erstarrung, anders gesagt: die Bewegung ist uns solchermaßen selbstverständlich, daß wir sie als Stillstand empfinden und jedes noch so geringfügige Nachlassen oder Erschlaffen sofort eine Krise auslöst. Aus dem Nebeneinander unendlich vieler Geschichten, die den historischen Begriff in ähnlicher Weise aushebeln wie die Verlagerung der Fernsehprogramme ins Internet wo permanente Abrufbarkeit - Sites und Portale statt Programme und Sendungen - jede Zeitenfolge aufhebt, hat die Postmoderne ein Spiel lockerer Interaktionen geformt, irgendwo auf halbem Weg zwischen Politik und Sport, wie denn auch der verblüffende Parallelismus zwischen Sport und Politik im posthistorischen Kontext längst die Formate selbst seriösester Nachrichtenmagazine bestimmt, und damit auf eklatante Weise belegt, wie unsere Gesellschaft nichts anderes mehr zu erzählen und zu kommentieren weiß als einige wenige Bewegungsabläufe, deren absurde Axiomatik den Zeitgenossen nichtsdestoweniger als das Natürlichste und Selbstverständlichste auf Erden vorkommt. Zunehmend reduzieren sich unsere Kommentare zum Sein und zum Werden der Welt auf mehr oder minder exakte und detaillierte Beschreibungen prädefinierter Bewegungssequenzen: von A nach B, von B nach C, von C nach D, ganz gleich, ob es sich dabei um die Runden beim Grand Prix in Malaysia, die Publikationsliste eines renommierten Geisteswissenschaftlers, die Etappen der Tour de France, die Laufwege von CR7 alias Christiano Ronaldo oder die alljährlichen Literaturpreise handelt, die mit metronomischer Regelmässigkeit unsere Schriftsteller einheimsen, ohne daß irgendein Mensch die Werke zu nennen wüsste, die diese Preise rechtfertigen. Einerseits. - -

Andererseits haben wir es mit der generellen Eigenschaft der Postmoderne und ihrer geistigen Nachfolge in den Nuller- und beginnenden Zehnerjahren zu tun, so etwas wie die nachhaltige Verunmöglichung ihrer je eigenen Erklärung und Erklärbarkeit zu leisten. Genaugenommen handelt es sich um eine Art Trauerarbeit des Geistes in Zeiten seiner kollektiven Demenz. Angesichts posthistorischer Verhältnisse, die so etwas wie Wahrheit - was auch immer eine solche angesichts der ungebremsten Herrschaft soziologischer Plausibilitäten noch sein kann - unter dicken Schichten von Tand und Flitter begräbt, hat das Make-up längst das Made in und selbst das Making of aus dem Blickfeld des Menschen gerückt, ganz gleich, ob es sich bei besagtem Individuum um Otto Normalbürger oder um ein hehres Mitglied der geistigen Elite handelt. Gerade die Entschlüsselungsversuche geisteswissenschaftlicher Koryphäen - Forscher, Stipendiaten, Hofphilosophen, Schriftsteller und Stadtschreiber - muten zunehmend wie weltfremde Formen einer oberflächlichen Brown'schen Bewegung an, deren eitler Tanz zwar den streitlustigen Austausch der gelehrten Köpfe untereinander belegt, dessen abstruse Zufallsformen zugleich aber nachhaltig jeden Denkversuch in Richtung eigentlicher Erklärungen unterdrücken, eben weil jeder solche Versuch, wie man unter Forschern, Stipendiaten und Hofphilosophen sehr wohl weiß, das unmittelbare Ende aller eitlen Tänze bedeutet. Ohne Zwang wird keiner dieser Menschen den Kult des eigenen, hypertrophen Egos aufgeben. Im zunehmenden Ersatz der Gegenwart durch ihre virtuellen Varianten hat sich der Geschichtsfluss nicht nur in neue Richtungen verlagert und entwickelt, er hat auch seine Natur verändert. Ein bislang von einer Seite heranrauschender, nach der anderen Seite hin abfliessender Strom drängt nun aus allen Richtungen zugleich herbei und staut sich zu einem riesigen, globalen Teich, in dem die Zeichen und Symbole der Kultur und dessen, was sich dafür hält, wild durcheinanderwirbeln. Eine Unzahl paralleler Erlebnisspuren und Einzelereignisse formt ein Mosaik fragmentarischer Farbanteile, deren Gesamtschau, wenn überhaupt, allenfalls den mehr oder minder deutlichen Hinweis auf das spektrale Verhältnis einer prismatisch abgelenkten Welt gibt. Der postmoderne Bürger wechselt die Register der Existenz wie sein SUV die Spuren der Stadtautobahn. Natürlich erfolgt ein solches Denken auf die Gefahr von Ungenauigkeiten hin. Umgekehrt scheint unzweifelhaft, daß jene Superschlauen, die sich aufs Schweigen verlegen oder einfach nur schlau lächeln, während sie alles durchwinken, was irgendwie nach Kultur aussieht, das Heft bereits aus der Hand gegeben haben. Längst wird die Politik des Denkens von anderen gemacht, teils im Sinn extremer Äusserungen und Aktionen, nicht minder in schlichter Nachfolge des ganz alltäglichen Wahnsinns von Nachplappern, Kleinreden, Fälschen, Abschreiben und Vergessen. Daß die Geisteswissenschaft selbstverliebt und geistig korrupt ist, weiß jeder, der ihre geistigen Exponenten kennt. Die Kultur hat versagt, sowohl als Wissenschaft wie als Kunst. Das war vielleicht nicht immer so, doch sehen die letzten Märtyrer von so etwas wie Kunst die Radieschen seit mehr als einem Jahrhundert von unten. Zwar zirkulieren die Werke der Baudelaire und Rimbaud nach wie vor in der Öffentlichkeit, und man vermarktet eifrig Van Gogh und Edvard Munch, doch verarmte der Inhalt, während das Brand zur Weltmarke avancierte. Von Vivaldi und Bach kennt der Durchschnittbürger bestenfalls diesen oder jenen Handyklingelton, während man Literaturklassikern nahezu ausschließlich in Gestalt verramschter Kulturkonserven - Parkland-klassiker usw. - begegnet, denen nach ephemerer Existenz im öffentlichen Raum der Weg in die Abfallwirtschaft gewiesen ist, wo Goethe und Schiller Wiederauferstehung als Ikea-kataloge oder Pizzaschachteln feiern, pronto e basta. Natürlich gibt es daneben die anderen, die ,,historisch-kritischen'' Ausgaben, mit Register und Apparat, und wenn mich nichts täuscht, gilt der Registerband dem ernsten Forscher ungleich mehr als die Bände, deren Seiten er auflistet. Keineswegs zufällig, schließlich hat Goethe zwar den Faust und die Wahlverwandtschaften geschrieben, den Registerband hingegen, den hat allein der Akademiker sortiert und zusammengestellt -- oder muß es nicht eher heissen: verfasst? Immerhin soll der Registerband das eigentliche Kunstwerk sein. Einmal mehr zeigt die selbsternannte Elite nach guter einsteinscher Art der Welt die Zunge. Im Terminkalender zeitgenössischer Denker wechseln Thesenpapiere mit Kindererziehung, hauchdünne Forschungsreferate mit Abmagerungskuren, voluminöse Registerbände mit Schwangerschaften ab. Natürlich haben die schlauesten Köpfe längst Schlüsselpositionen im Kulturmanagement inne, vergeben Stipendien und Stadtschreiberposten, wenn sie nicht gerade die Däumchen bis zum Vernissagenbüffet um fünf drehen. Gehorsamst verzichtet man auf das Lesen von Gedichten, nicht nur, weil das Lesen von Gedichten im modernen Kulturbetrieb rufschädigend ist (Kitschalarm!), sondern auch und vor allem, weil Nichtlesen - Lyrik hin oder her - den eindeutig wirksamsten Beitrag zur Entbindung von der lästigen Pflicht des Lesens darstellt (ein ausdrückliches Dankeschön an Theodor W. Adorno!). Der Tagesablauf dieser Menschen lässt ohnehin wenig Spielraum: neben Einweihungsfeiern lauern Termine beim Scheidungsanwalt und es naht der Kurzurlaub mit dem blutjungen Betthäschen, das man sich zum Fünfzigsten gönnte (das denn auch ursächlich für den Scheidungsanwalt gewirkt hat: que faire d'une femme de quarante? on l'échange contre deux de vingt ...), in einem Wort Selbstbefreiung. Emanzipation des Selbstes jenseits politischer und kultureller Auflagen. Weg mit dem Buch, seid produktiv, schafft Kunst, schreibt Bücher, statt welche zu lesen, und lasst Euch endlich in aller Ausführlichlichkeit über all die Dinge aus, von denen ihr keine Ahnung habt. Der Rest ist wohlbekannt: dort, wo man Bücher verbrennt, gibt's am Ende das beste Kulturbüffet: Vernissage in der Alten Gerberei, dem wunderschön restaurierten Klinkerbau mit postmodernen Glasveranden, wo vor einem Jahrhundert noch unter menschenunwürdigen Verhältnissen malocht wurde. Der Ort nennt sich heute Kulturfabrik, Agitproprock bringt in peppigen Rodschenko-Maiakovski-Rhythmen die alten Wände zum Zittern. Wo einst Wolle gefärbt und Leder gegerbt wurden, der Mensch sich Hände und Lunge verätzte, da fliessen heute Prosecco und freie Rede. Es erklingen akustische Gitarren, Maultrommeln, es tanzen Erdmütter in Pentagrammformation, es brummen Didgeridoos auf der existenziellen Suche nach dem inspirativen Billabong. Seine Lebenseinstellung vertieft man in eigenwilligen, zugleich überaus klischeehaften Stilformen. Das Aussenseitertum ist streng normiert, wie nicht zuletzt der Blick aufs traute Heim verrät: Altbau obligat, man schwört auf betagte, von den Wechselbädern der Geschichte bearbeitete und verzogene Antikmöbel, Vinyl statt CD, Beatles statt Klassik, Truhen statt Schränke. Nicht minder überteuerte Designerwerkstücke, während grobwollene Kelimteppiche und afrikanische Skulpturen für Atmosphäre sorgen. Dazu die phallische Qualität kubanischer Zigarren, deren fachkundiges Anschneiden mit dem Rundcutter noch gar selbst den trägsten Spätbourgeois in ephemerem Zeitenwechsel zum Minutenrebellen, zum Feierabendrevolutionär in direkter Nachfolge des großen Che werden lässt (trotz oder gerade wegen verallgemeinerten Rauchverbots). Auf halber Strecke zwischen Raketenkrise und karibischer ars amatoria sondert der braunhäutige Fremdkörper Aromen ab, die wie Pheromone der Libertinage wirken. Ein paar kubanische Zigarren, und die Kultur reift gleichsam von selbst heran. Dazu edle französische Rotweine, mitunter auch eine australische oder kalifornische Edeltraube. Schließlich möchte man als selbsterklärter Geniesser Nutzen aus einem 10-wöchigen oenologischen Abendkurs ziehen. Längst liegt Karl May statt Karl Marx auf dem wissenschaftlichen Desk: verblüffend, wie der wilde Mann aus Radebeul zu den populärsten Köpfen zeitgenössischer germanistischer Forschung zählt. Die deutsche Intelligenz verzehrt sich nach ihrem Winneduddeda: Schluß mit Poesie und Ideologie, hoppe, hoppe, Reiter durch die 70 Bände der ,,unzensurierten'' -- savoir oblige -- Zür(i)cher Gesamtausgabe (die lokalpatriotische Unterdrückung des i forderte an dieser Stelle einen eigenen Band, der aber entfallen, oder genauer: je selber unterdrückt sein muß). Im übrigen verabscheut man das Fernsehen (,,Glotze'') und zelebriert das gute, alte (nur leider mausetote) Theater. Wie ein Halbwüchsiger fingert der arrivierte Intellektuelle am neuesten ipod herum, obschon das smarte Instrument zum alternden Körper passt wie die Faust aufs Auge. Eine elitäre Meinung, die sich zugleich bewusst volksnah gibt, erklärt Museen, Bibliotheken und Theater, zumal im deutschen Osten, zu den letzten Bastionen wider die braune Pest (was ist von solch apokalyptischer Terminator-Romantik zu halten? Wenn sich der rechtschaffene deutsche Bürger tatsächlich vor Rechtsradikalen in die letzten Theater und in ,,offene Diskussionsforen'' flüchten muß wie einst vor den Barbaren in verrammelte Kirchenburgen, dann haben unsere Braunen bereits flächendeckend und unumkehrbar endgesiegt). Daß den Arrivierten des Kulturgeschäfts jedes Argument gut ist, das ihre Position stärkt, versteht sich von selbst. Im übrigen klafft die Schere zwischen jung und alt auch auf geistigem Niveau, gerade weil die Alten von heute wie nie zuvor vermeinen, die Schere endgültig geschlossen zu haben: als wären die Leutchen zu schrulligen Schildkröten aus der Halspastillenwerbung verkommen - eine Metamorphose, die sich selbst ein Ovid nicht hätte träumen lassen - stapfen emeritierte Blogtrotter mit Baseballmütze und geschultertem Rucksack durch die globale Wirrnis, pflichtbewusst dem Motto versprochen, daß ,,jeder sein Päckchen tragen'' muß, wobei man sich angesichts eher trauriger Verhältnisse merkwürdig beschwingt und jung fühlt, ja, fast schon wie die Jugend selbst, ja, fast so wie damals, als man noch mit dazuzählte. Ein trügerischer Schein, denn die Jugend hat derweil Reviere des Menschseins erobert, deren Existenz die Alten noch nicht einmal ansatzweise erahnen. Ein Beispiel unter vielen: die ambivalente Beziehung der Zwanzigjährigen zum eigenen Körper. Einerseits behandelt man ihn betont nachlässig, fast unachtsam und stiefmütterlich, andererseits ist man weit davon entfernt, zerstörerisch oder gar selbstmörderisch mit ihm umzugehen, wie es die Reisst-Euch-Zusammen-Moral einer literweise Karottensaft und schatullenweise Vitaminpräparate vertilgenden Altengeneration in überheblicher Selbstherrlichkeit nur zu gerne voraussetzt. Je zugleich zeigt die Jugend von tausend Sportarten gestählte Muskeln und zelebriert nicht minder ein ostentatives Rum- und Abhängen gleichsam als Hinweis auf die eigene Zukunftslosigkeit. Mit Faulheit und Trägheit hat das nur wenig zu tun. Die Nutzungsbedingungen der Gegenwart sind so, daß ihre offenkundige Widerwärtigkeit dem aufgeweckten Beobachter und Erdenbewohner gar nicht entgehen kann. War es früher der Fünfzigjährige, der sich bei nachlassender Körperkraft der Absurdität der Existenz schmerzhaft bewusst wurde, so ist es heute die Generation der kaum Zwanzigjährigen, die nur zu deutlich um die makabre Bühnenanweisung eines Stück mit schalem Titel Leben weiß. Derweil übertrifft sich die Generation der Alten in immer neuen Blendungen und Selbsttäuschungen. In absurdesten Wirrungen der Eitelkeit macht man sich stets auf ein neues die vorgebliche eigene Bedeutung und Wichtigkeit vor. Eine Art Wiener Kongress. Einerseits die Resignation der Jugend, andererseits die Residuen der Faschismus bei den Alten (,,des Faschismusses'', wie kürzlich eine große Nummer aus dem ,,Showgebizz'' meinte). Einerseits reckt die alte, halbverscharrte Überzeugung das Köpfchen, es könne der ,,Krieg'' - all das lebenslange Hoffen und Bangen - doch nicht umsonst gewesen sein, andererseits haben nachgeschichtliche Tendenzen den jungen Körper zur postmodernen Spielwiese für alle möglichen und unmöglichen menschlichen Unarten erklärt, gleichsam zum experimentellen Terrain für ludischen Ungehorsam. Recht eigentlich sind die Territorien junger Haut globale Ausstellungsflächen für Siglen, Werbelogos und 1001 Accessoires geworden. Das Spektrum reicht von glasperlenbesetzten T-shirts mit echten oder falschen brands über schräge Frisuren, deren Rasierkunst die letzten Säume des anatomisch Möglichen in sämtlichen ethnographischen Registern ausreizt bis hin zu großflächigen Tätowierungen in den nordischen Motiven des Book of Kells. Andererseits scheint damit nie mehr und nie anderes zur Mitteilung gebracht als eben ein tiefes Misstrauen gegen die Welt der Alten, gegen ihre Verlogenheit, gegen ihre Unechtheit, gegen ihr eitel unauthentisches Gebahren, zusammen mit der Botschaft, wie piepegal all dies der Jugend sei, die sich im Besitz der Welt weiß. Kein Wunder, wenn die Jugend angesichts der verbissenen Rüstigkeit der Alten, der Sinnfindungen einer in die Jahre gekommenen gehobenen Mittelschicht, die von Ayurveda bis Fallschirmspringen nichts unversucht lässt, noch nicht einmal den Kopf schüttelt, so unbegreiflich und fremd erscheint ihr die verblendete, auf den buntgestrichenen Krüken vorgestriger Tugenden und abgehalfterter Kulturwerte fröhlich krähend in den endlos fortgesetzten Lebensabend hinein sich schwingende Zuversicht der Generation 50 plus. Welcher Zwanzigjährige wollte anno 2012 noch zuversichtlich und gehorsam sein? Geschweige denn, daß er sich über den Sinn so genannter Werte und Tugenden belehren liesse?

Der Rest ist wohlbekannt: Geld, Ansehen, Eitelkeit. Einmal mehr operiert das soziale Dreigestirn als zöleste Mechanik einer mit hohem symbolischem Mehrwert befrachteten Konvertierungsmaschine gewesener Lebenszeit in gesellschaftliches Ansehen. Überheblich genug, verweisen die Repräsentanten der selbsterklärten postmodernen Elite auf ihren so genannten kulturpolitischen Auftrag. Natürlich verwechseln diese Leute die je eigene exklusive Privatwohnung (einmal mehr: Altbau, schneeweiss getünchte Raumhöhen nicht unter drei Metern zwanzig) mit einem bureau d'esprit im gewitzten Stil der Voltaire und Helvétius. Während man unverdrossen dem Glauben nachhängt, die subversive Intelligenzfabrik habe im eigenen Heim eine Filiale eröffnet, artikuliert man recht eigentlich nur gängige Klischees: gebohnerte (statt versiegelte) Parkettböden, Goethe ungelesen thronend in der kirschroten vierzigbändigen Jubiläumsausgabe, Antik-Leselampen in Kobaltgrün und die im Fahrwasser der Arno-Schmidt-Dialoge hochbegehrte Sechste Ausgabe des Meyer unter bunten Miro-Lithographien. Mit solchen Interieurs geben sich sichere Merkmale - gleichsam verbriefte Privilegien - der Intelligenz kund. Vor der Haustür steht, freundschaftlich von minzgrünen Damenfahrrädern umzingelt, ein silberfarbener Audi quattro. Axiom: erst ein Lehrauftrag an der Uni verleiht dem Menschen die Fähigkeit, Wahres und Wichtiges zu erkennen und - was nicht das Mindeste ist - auch auszusprechen, Erst das akademische Umfeld bescheinigt der handverlesenen Elite postmoderner Neo-Humanisten das Recht und die Fähigkeit, Schönheit und Authentizität zu sehen und - was nicht das Mindeste ist - auch zu leben. Korollar: Homo Hartz IV im prolligen Wohnsilo ist an seinem Unglück selber schuld (übrigens auch ein quattro, wenns dicke kommt, sogar mit HIV). Die Wahrheit ist ungleich banaler: statt kultureller Differenz ein Sammelsurium aesthetischer Banalitäten: konsensfreudige Belletristik, Lesemarathons, Straßenfeste, Rockkonzerte, Koch- und Kurzfilmfestivals, Vernissagen, Finissagen, und parallel dazu, gendergerecht, die von den Fließbändern unserer Hochschulen und Universitäten gelieferte, exakt passende Sekundärliteratur: Frauenliteratur, Schwulenliteratur, Studien über Aussenseiter, Auswanderer, Verfolgte, Banditen, Verfemte, Verkannte, Verschollene und Vergessene. In allen Positionen werkeln Leute, die sich insgeheim für Künstler und Rebellen halten. Kein Wunder, wenn man sich im geisteswissenschaftlichen Umfeld zunehmend mit Veröffentlichungen brüstet, die zum Verwechseln an Artefakte aus dem literarischen Kuriositätenkabinett, meinetwegen auch aus der Hirnschale eines Wahnsinnigen erinnern. Keineswegs unbeabsichtigt gerinnt postmoderne Hochschulforschung zur marginalen Randerscheinung einer politischen und sozialen Wirklichkeit, die man zugleich fürchtet, weil man sie nicht kennt, und nicht minder - oder genauer noch: eben deshalb - mit Verachtung und ostentativer Herablassung belegt und abtut (Ernst gilt den Postmodernen und ihren Erben übrigens als Klischee, das es wegen seiner unverkennbar reaktionären Natur zu meiden gilt. Die gleichen Leute, die in der Literatur jeden herzhaften Lacher beanstanden, weil ihnen ,,Comedy'' zu vulgär und undifferenziert ist, versuchen sich plötzlich als Humoristen. Am Ergebnis gibt es wenig zu rätseln. Selbstverständlich firmiert die scheinbare Nichtprofessionalität beim Witzereissen als Zeichen authentischer Profession. Unter der fröhlichen Oberfläche bleibt man sich treu, denn auch im Jahr 2012 schädigen schulmeisterliche Pedanterie und Detailwissen in Dosen, die vieltausendfach über dem Richtwert liegen, jedes freie Denken. Nie hat man sich bemühter um fundamentale Unterschiede zwischen Elite und dem Rest der Menschheit gezeigt als in den Jahren nach der Jahrtausendwende, da die ,,Differenz'' de facto Makulatur wurde und die Welt einen Zustand höheren Analphabetentums anzusteuern begann. Was freilich keineswegs verhindert, daß man sorgsam die Norm des politisch Korrekten einhält und betont lässig mit allem und jedem fraternisiert, kurzum: eine Kultur der Sieger ausruft, eine geistige Ellenbogengesellschaft durchaus im Tonfall jener Geschichte der Sieger, als deren Racheengel sich Walter Benjamin verstand, naiv genug, sich ungefragt ins imaginäre Amt des ,,geistigen Betriebsrats'' der Erniedrigten und Beleidigten hineinzufabulieren (die Naivität Walter Benjamins lohnte einen eigenen Band). Damals hieß es noch Proletariat, heute sind es mutatis mutandis die Sozialhilfeempfänger. Den Verrat der Intellektuellen hatte 1927 öffentlich Julien Benda in Grassets sogenannten cahiers verts angezeigt. Die Anzeige gilt heute mehr denn je, auch wenn daraus längst ein Verrat der Intellektuellen an sich selber geworden ist. Sonst gibt es ja auch niemanden mehr, den man noch verraten könnte. Ganz folgerichtig leben wir in der humorvollen Epoche eines vergeistigten Menschenschlags, der vom Lachen nichts versteht und sich dessen ungeachtet, seit es der deutschen Kultur untersagt ist, Gedichte zu lesen, als geistige Lachnummer geriert, beispielsweise, indem die Leutchen - zwanzig Etagen gar noch unter dem eigenen Niveau (eine Meisterleistung im Tiefbau!) - oberschrullige Pamphlete zur ,,moralischen Lage'' verfassen, die mit gebotenem Aplomb und Danksagung an Ehefrau und Sekretärin (erstere fürs Tippen, letztere für die Sicherstellung der Kreativität) drängende Fragestellungen wie jene erörtern, ob bunte T-shirts No-Gos sind, wenn man sie als Unterhemden trägt, ob man im Intercity entspannt den Schlappen ausziehen darf oder wie man auf schmalem Bürgersteig ohne Verlust der Selbstachtung an einem ,,Breitbandkinderwagen'' für Drillinge samt ,,Kampfmutter'' vorbeikommt. So, und nicht anders, sieht es in den Köpfen der Intelligenz aus, wenn sie sich grad mal nicht an Fußnoten oder Registerbänden versuchen. Rauchverbote in deutschen Kneipen haben schon so manchen Schwachkopf zu vorgeblich sinnigen Vergleichen mit der Zensurpraxis eines Metternich, wenn nicht gleich mit der Spanischen Inquisition verführt. Entmündigt wegen Auschwitz, entdecken deutsche Akademiker ihre Abneigung gegen die faschistische Tendenz, indem sie die geringen und allergeringsten Freuden eines posthistorischen Daseins hic et nunc in einer Weise hochschätzen, die in abstrusester Weise eben die preußische Tugend wiedererweckt, die sie angeblich denunziert. Zugegebenermaßen Ereignisse im Nanobereich, irgendwo auf unsichtbarer sozialer Bruchschwelle zwischen latte macchiato, Naturschutz in Auenwäldern, Biomärkten, Gender- und Kurrikulumforschung, Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, mon amour Fukushima, Frau D. aus der Piratenpartei, Kleinverlagswesen, E10 und globaler Klimakatastrophe. Unzweifelhaft hat der Deutsche -- und mit ihm das übrige Alt-Europa -- den Bezug zum Tod verloren. Und daß ein solcher Bezug gerade deutscherseits nie sonderlich intakt war - an dieser Stelle verkneife ich mir ein hypnotisches ,koscher' - ist natürlich die Ursache, warum Hegel und die Islamisten zu guter Letzt Recht behalten, nicht minder der Grund, warum die Träger der Kultur (mit oder ohne bunt bedrucktes T-shirt) das für überflüssig erachtete geistige Gepäck kommentarlos abgaben. Prompt blieb die Uhr stehen. Und mit der Stehengebliebenen verkam die deutschsprachige Kultur zum historischen Format. Ausgestorben mit ihren letzten Repräsentanten: Thomas Bernhard, dem Oesterreicher, und W.G. Sebald, dem Ausgewanderten.


NUDE No. 2824
Druckgrafik
Monographie
70 x 50 cm
2012
unverkäuflich
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Sgraffito no. 125 PERSONA
Druckgrafik
Monographie
100 x 70 cm
2010
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NUDE No. 2701
Druckgrafik
Monographie
100 x 70 cm
2012
unverkäuflich
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GRUPPE, hommage à Félicien Rops
Druckgrafik
Monographie
100 x 70 cm
2011
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NUDE No. 2735
Druckgrafik
Monographie
100 x 70 cm
2012
unverkäuflich
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NUDE No. 2719
Druckgrafik
Monographie
100 x 70 cm
2012
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Sgraffito no. 190
Zeichnung
Tusche
100 x 70 cm
2012
unverkäuflich
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Sgraffito no. 184
Zeichnung
Tusche
100 x 70 cm
2012
unverkäuflich
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NUDE No. 2702 hommage à Bellmer
Druckgrafik
Monographie
100 x 70 cm
2012
unverkäuflich
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Sgraffito no. 154
Zeichnung
Tusche
100 x 70 cm
2012
unverkäuflich
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NUDE No. 2794
Druckgrafik
Monographie
70 x 50 cm
2012
unverkäuflich
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SWIMMING No.2
Druckgrafik
Monographie
70 x 50 cm
2010
unverkäuflich
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NUDE No. 2661
Zeichnung
Tusche
100 x 70 cm
2012
unverkäuflich
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SWIMMING No.1
Druckgrafik
Monographie
70 x 50 cm
2010
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NUDE No. 2657
Zeichnung
Tusche
100 x 70 cm
2012
unverkäuflich
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NUDE No. 2631
Druckgrafik
Monographie
60 x 40 cm
2012
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NUDE No. 2619
Malerei
Ölmalerei
80 x 60 cm
2012
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NUDE No. 2498
Druckgrafik
Monographie
100 x 70 cm
2011
unverkäuflich
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NUDE No. 2505
Druckgrafik
Monographie
100 x 70 cm
2011
unverkäuflich
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NUDE No. 2494
Druckgrafik
Monographie
100 x 70 cm
2011
unverkäuflich
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NUDE No. 2616
Zeichnung
Tusche
100 x 70 cm
2011
unverkäuflich
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hommage à Kokoschka
Malerei
Ölmalerei
80 x 60 cm
2010
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HEAD No. 166
Malerei
Ölmalerei
70 x 50 cm
2010
unverkäuflich
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PAAR No. 304
Druckgrafik
Monographie
60 x 40 cm
2012
unverkäuflich
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KLEID No. 576
Druckgrafik
Monographie
70 x 50 cm
2012
unverkäuflich
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COUPLE No. 244
Druckgrafik
Monographie
60 x 40 cm
2012
unverkäuflich
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COUPLE No. 290
Druckgrafik
Monographie
60 x 40 cm
2012
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PAISAJE IDEAL No. 72 PARA M.
Zeichnung
Tusche
100 x 70 cm
2012
unverkäuflich
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Etude en chair humaine
Malerei
Ölmalerei
120 x 100 x 4 cm
2011
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PAISAJE IDEAL No. 83 PARA M.
Zeichnung
Tusche
100 x 70 cm
2012
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SUMMER 2010
Malerei
Ölmalerei
120 x 100 x 4 cm
2010
unverkäuflich
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TOPOGRAPHIE DU PARADIS No. 1
Druckgrafik
Monographie
100 x 70 cm
2010
unverkäuflich
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PAISAJE IDEAL No. 89 PARA M.
Malerei
Ölmalerei
100 x 70 cm
2012
unverkäuflich
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SUMMER 2011 b
Malerei
Ölmalerei
100 x 70 x 4 cm
2011
unverkäuflich
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PAISAJE IDEAL No. 60
Zeichnung
Tusche
100 x 70 cm
2010
unverkäuflich
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COUPLE No. 150
Druckgrafik
Monographie
60 x 40 cm
2011
unverkäuflich
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COUPLE No. 181
Druckgrafik
Monographie
60 x 40 cm
2011
unverkäuflich
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NUDE No. 2828
Druckgrafik
Monographie
70 x 50 cm
2012
unverkäuflich
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SUMMER 2011
Malerei
Ölmalerei
120 x 100 x 4 cm
2011
unverkäuflich
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NUDE No. 2840
Druckgrafik
Monographie
70 x 50 cm
2012
unverkäuflich
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Blanche de formes et de rimes
Malerei
Ölmalerei
120 x 100 x 4 cm
2011
unverkäuflich
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BURJA, der Sturm
Druckgrafik
Lithographie
100 x 70 cm
2010
unverkäuflich
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